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„Vor zwanzig Jahren sahen Bussitze aus, als wären sie in der DDR hergestellt worden. Unsere Stühle hatten eine Verspieltheit wie ein Fischschwarm.“

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„Das Design des Mondlanders Apollo Lunar ist unglaublich ästhetisch. Da ist alles drin! Es ist sinnvoll, funktional und sehr schön.“

Blick ins Innere von Prof. Jeroen van Erp (1959)

'Das 'form follows me'-Prinzip ist mir völlig fremd'

Wie sieht der Arbeitsplatz aus, wenn du in der Kunst arbeitest? Der Industriedesigner Jeroen van Erp ist Professor für Konzeptdesign an der TU Delft und einer der Gründer und Partner von Fabrique, der multidisziplinären Designagentur mit Kunden, die von Albert Heijn bis zum Rijksmuseum reichen. Van Erp hat kürzlich das Buch „Think like a designer, don’t act like one“ darüber geschrieben, wie Designer denken und was sie machen.  Ein Besuch an dem Ort, an dem der Designer selbst denken kann, seinem Studio in Amsterdam-West.

De Wilt entschied sich für Collect

Wie wurden Sie zu dem, der Sie geworden sind? 

„Ich bin der Älteste einer vierköpfigen Familie aus Eindhoven. Mein Vater war Musiklehrer und besaß ein Musikgeschäft. So kamen Musiker und Künstler immer rüber. In der Schule war ich sehr gut im Zeichnen und Basteln, aber damals hat mir nie jemand gesagt, dass ich damit etwas anfangen soll. Bei VWO war ich auch in exakten Fächern sehr gut und habe dann Elektrotechnik in Delft studiert. Da habe ich gemerkt, dass mich nicht so sehr die Technik interessiert, sondern mehr was man damit machen kann. Dann bin ich auf den Studiengang Industrial Design gestoßen. Die Münze fiel wirklich, als ich 1986 ein Praktikum bei Total Design in Amsterdam begann, einer damals international renommierten Designagentur. Gleichzeitig hatte ich mein eigenes Musiklabel und war unter anderem Manager der Fatal Flowers. Verglichen mit der Musikwelt war Total Design alles todernst, ohne eine Unze Spaß oder Humor. Ich wollte das Flair der Musikwelt in meine Arbeit einbringen. Das war mein Ziel mit Fabrique.“  

„Menschen sind glücklich, wenn sich die Dinge zwischen dem Vertrauten und dem Neuen ausgleichen. Dahinter steckt eine evolutionäre Idee.“

 

Auf welche Designs sind Sie besonders stolz? 

„Das ist sehr umfangreich: Plattenhüllen unter anderem für die Simple Minds, Sohlen für Sportschuhe, Zugdesigns, Flagstore für Giant-Fahrräder, aber auch die Stühle, die wir einst für die Busse und die U-Bahn in Rotterdam entworfen haben. Vor 20 Jahren sahen Bussitze aus wie in der DDR. Unsere Sitze waren nicht nur sehr erschwinglich, sondern auch sehr bequem. Sie hatten eine praktische Anlehnstütze und eine Form, die Platz schaffte. Sie hatten die Verspieltheit eines Fischschwarms. Der gemeinsame Nenner all unserer Arbeit ist das, was ich oft über unsere LP-Cover sage: Es sieht so aus, wie es klingt. Es geht darum, der Musik eine Bedeutung zu geben und nicht darum, unser Design auf die Musik zu kleben. Ich würde mich nicht als eitel bezeichnen, aber das „form follows me“-Prinzip ist mir völlig fremd. Dennoch erkennt man in unseren Entwürfen unsere Handschrift: viele Farben und eine Leichtigkeit, die sie einer großen Gruppe zugänglich macht.“  

„Dem Designer geht es immer um Größe und Wert.“  

Was ist der Unterschied zwischen einem Künstler und einem Designer? 

„Ein Künstler schafft etwas, bei dem seine persönlichen Motive wichtiger sind als die wirtschaftliche Hebelwirkung und auch das, was die Außenwelt darüber denkt. Natürlich wird sein Ego gestreichelt, wenn es möglichst vielen gefällt. Jeder Künstler mag es auch, wenn sich das, was er macht, auch verkauft, dann kann er auch davon leben. Dem Designer geht es immer um Maßstab und Wert. Wie Einstein einmal sagte, dass Energie und Masse eigentlich dasselbe sind, so auch Maßstab und Wert. Wenn etwas Maßstab hat, dann hat es Wert und umgekehrt. Dem Künstler geht es nicht um Maßstab und Wert, sondern um persönlichen Ausdruck. Während der industriellen Revolution haben wir gelernt, dass wir mit einem einzigen kreativen Akt Größe und Wert schaffen können. Das machen Designer. Mit der digitalen Revolution hat sich das ausgeweitet und wir sprechen nicht mehr nur von autonomen Produkten, die man skalieren kann, sondern von Produkten, die in Systemen gefangen sind und miteinander interagieren. Wir bewegen uns jetzt in eine Phase, in der Intelligenz in diese Produkte einfließt. All diese neuen Interessen machen es für einen Designer viel komplexer.“  

Intelligenz in Produkten. Werden Designs dann selbst zu Designern?

„Künstliche Intelligenz kann sehr gut Aufgaben erledigen, aber ich sehe das nicht so schnell, sich etwas Neues einfallen zu lassen, vorauszudenken und kreativ zu sein. Wenn ich Spotify höre, bekomme ich Tipps, die denen ähneln, die ich schon einmal gehört habe, wenn ich etwas Neues hören möchte. Spotify hat keine Ahnung, wie es mich überraschen soll. Darin liegt die Arbeit des Designers. Die Leute sind glücklich  am fortschrittlichsten und doch akzeptabel, wenn die Dinge zwischen dem Vertrauten und dem Neuen balancieren. Dem liegt ein evolutionärer Gedanke zugrunde. Wir müssen uns ständig weiterentwickeln, um zu überleben.“  

 

Welche Designs packen dich? 

Marc Newson ist einer meiner Helden. Er ist unter anderem für seine Stühle bekannt, war aber auch an der Gestaltung von beteiligt  die Apple-Uhr. Ich habe viel von ihm. Ich bin auch ein großer Fan von Buckminster Fuller, dem Designer von beispielsweise dem Dymaxion-Auto von 1933. Dieses Auto hat eine Form, die immer noch wie ein Felsen steht. Auch die Klassiker gefallen mir sehr gut. Der Jumbo 747 von Boeing zum Beispiel und die Pyramiden aus dem alten Ägypten. Ihr Umfang und ihre Bildsprache sind wegweisend. Sie wirken immer noch. Sie stehen für Mut und passen gut in den Kurs „Learn to think big“. Auch das Design des Apollo Lunar Mondlanders ist unglaublich ästhetisch. Da ist alles drin! Es ist sinnvoll, funktional und sehr schön. Bei diesen Entwürfen denkt man nicht an den Namen des Designers, aber ihre Entwürfe sind unsterblich.“

 

 

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